Wochenimpuls 4 – Jesus leuchtet von innen heraus

Lies Mt 17,1-9.

1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. 2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. 3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. 4 Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. 5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! 6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. 7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! 8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. 9 Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Mt 17,1-9

Anmerkung exhortatio: Die Predigt wurde von Markus Schmidt am 29. Jan 2023 in der Zionskirche Bethel gehalten.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Liebe Schwestern und Brüder in der Zionskirche und an den Radios, mit dieser Evangelienlesung, die wir eben gehört haben, machen wir eine Bergwanderung. Manche Berge sind mit einem Gipfelkreuz geschmückt. Dort angekommen, wird der Blick weit. Das Gipfelkreuz verdeutlicht, wie die Aussicht in die Schöpfung zum Lob des Schöpfers anregen will. Doch bevor wir dort sind, bedarf es einer Pause zum Durchatmen. Der Weg ist steil. Dann geht’s weiter. Nach einiger Zeit kommen wir endlich oben an.

Wer den Zionsberg besteigt, um zum Gottesdienst in unsere Kirche zu kommen, hat maximal 33 Höhenmeter zu überwinden, von der Haltestelle „Bethel“ aus gemessen, nach Angaben von Google- Maps. Das ist wahrhaftig nicht viel, erst recht nicht alpin, aber steil ist der Weg trotzdem. Statt eines Gipfelkreuzes finden sich Kirchtürme. Und wer den Höhenzug noch weiter aufwärts geht, gelangt zum Friedhof, wo schließlich Kreuze den Weg zur Auferstehung weisen.

Als Jesus mit drei seiner Schüler auf den Berg stieg, hatten sie ebenfalls keine alpine Strecke vor sich. Der Berg Tabor soll es gewesen sein. Der Aufstieg müsste mit etwa 400 Höhenmetern etwas anstrengender gewesen sein als für uns heute morgen. Dort oben angekommen, wurden den drei Schülern Petrus, Jakobus und Johannes die Augen geöffnet. Sie konnten einen Horizont sehen, der das, was wir üblicherweise zu sehen vermögen, weit überschreitet.

Die Lesung des Evangeliums hat uns von der Verklärung Jesu erzählt. „Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“ Was dort auf dem Berg geschah und was das mit uns zu tun hat, möchte ich mit Ihnen in dieser Predigt besprechen. Dazu gehen wir in drei Schritten: I Jesus zeigt sich – Gott erscheint; II Gott öffnet die Augen; III Jesus hilft sehen, wie Gott sieht.

1. Jesus zeigt sich – Gott erscheint

„Er wurde verklärt vor ihren Augen“, heißt es, auf den ersten Blick nicht ganz verständlich. Verklärung – Verwandlung – Durchflutung: Völlig von Licht durchleuchtet steht er vor ihnen. „Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“ Was hier leuchtet, scheint nicht von außen auf Jesus, sondern von innen. Eine Flutlichtanlage in einem Fußballstadion kann nur von außen beleuchten. Die Scheinwerfer heben deutlicher hervor, was mit bloßen Augen zu sehen ist. Hier aber erscheint das Licht von innen. Es bringt zum Vorschein, was nur erleuchtete Augen des Herzens sehen können (Eph 1,18). Verklärung – Verwandlung – Durchflutung: Licht bricht heraus.

Sagen wir es so: Petrus, Jakobus und Johannes erleben eine Epiphanie, eine Gotteserscheinung. Gott erscheint, diesmal nicht mit Feuer wie bei Mose oder im leisen Windhauch wie bei Elia, sondern mit außergewöhnlichem Licht. Für die drei Schüler ein ekstatisches Erlebnis. Ekstatische Erlebnisse hat man nicht jeden Tag. Manche Menschen haben sie nie. Andere Menschen wiederum üben sich darin, möglichst häufig in Ekstase zu gelangen. Petrus, Jakobus und Johannes sind jedenfalls begeistert. Sie erleben, wie Zeit und Raum überschritten werden, indem hier auf dem Berg auf einmal Mose und Elia auftauchen und mit Jesus ins Gespräch kommen.
Mose und Elia stehen für die Offenbarung Gottes gegenüber seinem Volk Israel. Mose brachte das Gesetz, die Weisungen Gottes. Der Prophet Elia rief das Gesetz dem Volk Israel neu ins Gedächtnis. Zum Leben mit Gott haben Mose und Elia aufgerufen. Sie haben dem Volk Israel Gottes Hilfe an- geboten, wenn dieses ins Wanken kam, weil es sich nicht mehr auf Gottes Hilfe verlassen hatte. Mose und Elia, die beiden Wortverkünder, sind hier im Gespräch mit dem, der das Wort Gottes in Person ist.
Mose hatte auch einmal ein leuchtendes Angesicht, als er Gott auf dem Berg Sinai begegnet war. Er glänzte, weil Gottes Abglanz auf ihm lag. Hier aber glänzt Jesus, nicht weil er von Gott beleuchtet wurde, sondern weil sein Licht von innen kommt. Auf diesem Berg wird der Kern des Weihnachts- festes deutlich: Jesus, der Mensch, ist Gott selbst. Gott ist Mensch geworden.
Petrus, Jakobus und Johannes sind begeistert. Wer einmal erlebt, wie sein Alltag auf großartige Weise durchbrochen wird, der will nicht in den Alltag zurück, zumindest fällt es schwer, in den Alltag zurückzukehren. Petrus macht also einen Vorschlag: Wir bleiben hier! Hier, wo nun endlich die großen Figuren unseres Glaubens greifbar sind – Mose, Elia und Jesus –, ist Gott so nah. Wir bauen Hütten für die drei. Wir halten sie fest und wohnen hier.
Allerdings, liebe Schwestern und Brüder: der Glaube kann sich nur im Alltag bewähren, oder er bewährt sich nicht. Gott unterbricht die Szene. Eine Stimme aus der Wolke sprach: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören“. Jetzt wird die Epiphanie konkret. Wie schnell kann es gehen, dass Menschen, wenn sie in Ekstase geraten oder Epiphanien erleben, meinen Gott zu schauen, aber dabei ihre eigenen Wünsche zu verwirklichen suchen. Gott ist nie der Gott, der uns nur in unseren Vorstellungen und Wünschen bestätigt. Gott kann sie korrigieren und infrage stellen.
Petrus, Jakobus und Johannes erschrecken und fallen nieder. Auf Jesus sollen sie hören, nicht auf die eigenen Vorstellungen. Da kommt er zu ihnen und rührt sie an.

2. Gott öffnet die Augen

Liebe Schwestern und Brüder, wie sieht man den Auferstandenen? Wodurch ist er zu sehen? Können wir Gott überhaupt sehen? Wohnt er, „der allein Unsterblichkeit hat“, nicht „in einem Licht, in das keiner hinzukommen kann“ (1Tim 6,16)? Wie sollten wir ihn dann sehen können? Oder Jesus Christus: Wie zeigt sich Jesus, Gottes Sohn als Mensch geboren, gestorben und vom Tod auferweckt? Wie zeigt er sich heute? Sehen wir nicht vielmehr nur Bilder? Sind es nicht Bilder, durch die wir Gott und sein Wirken vor Augen gestellt bekommen?
Besondere, außeralltägliche Ereignisse wie eine solche Epiphanie, die Petrus, Jakobus und Johannes mit Jesus auf dem Berg erlebten, sind und bleiben extraordinär, alles andere als selbstverständlich und erst recht nicht dauerhaft verfügbar. Aus den Hütten da oben ist nichts geworden. Jesus rührte die drei an und sagte: „Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie ihre Augen aufhoben, sahen sie niemanden als Jesus allein.“ Sie müssen weitergehen. Und als sie den Höhenzug abwärts wieder verlassen, weist Jesus sie auf etwas hin, dass sie sehr verwundert haben dürfte: „Ihr dürft von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“
Ostern kommt ins Spiel – Auferstehung von den Toten. Davon wussten die drei noch gar nichts (anders als wir heute, die wir meinen zu wissen, was Ostern ist). Auferstehung – wo von Auferstehung die Rede ist, muss auch vom Tod gesprochen werden. Nach dem Abstieg vom Berg kündigte Jesus seinen Schülern sein Leiden an, bereits zum zweiten Mal: „Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen und sie werden ihn töten, und am dritten Tage wird er auferstehen. Und sie wurden sehr betrübt.“ (Mt 17,22f). Wie soll man das verstehen? Erst helles Licht, dann dunkles Kreuz?
Wenn wir heute, am Letzten Sonntag nach dem Epiphaniasfest, den Tag der Verklärung Jesu feiern und am kommenden Donnerstag, dem 2. Februar, die Weihnachtszeit abschließen, stehen wir genau an dieser Schwelle. Wir können bei angenehmen Erfahrungen nicht stehenbleiben. Weihnachtsbä- ckerei und Kerzenschein liegen längst hinter uns. Am nächsten Sonntag beginnt die Vorpassionszeit, dann die Passionszeit, dann die Karwoche: Leiden und Sterben Jesu, dann Ostern: Auferweckung vom Tod. Das alles steckt in Weihnachten und Epiphanias schon drin: Wenn Gott erscheint, als Mensch, dann geht es nicht nur um die angenehmen Seiten des Lebens. Zu ihnen gehört auch der Friedhof, wo die Kreuze den Weg zur Auferstehung weisen.

Am 2. Februar ist das Fest „Darstellung des Herrn im Tempel“, auch „Lichtmess“ genannt. Wenige Wochen nach seiner Geburt wurde Jesus als Säugling in den Tempel in Jerusalem gebracht. Da be- gab sich etwas ganz ähnliches wie eine Verklärung: Ein uralter Mann, Simeon, erkannte in dem von Maria und Josef gebrachten Baby das Licht der Welt. Simeon erkannte, was nur geöffnete Herzen erkennen können: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden sterben! Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lk 2,30– 32). Und zu Maria sagte er: „Siehe, diesem wird widersprochen werden – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen“ (Lk 2,34f).

Wenn Gott Verklärungen schenkt und mit seinem Licht in das Herz spricht, dann rückt er den ganzen Weg des Herrn Jesus in den Blick. Zu seiner Geburt gehört sein Kreuz. Er rettet uns, weil er für uns gestorben ist. Das Kirchenjahr geht diesen Weg mit. Und damit ist es gleichzeitig ein tiefes Bild für unseren Lebensweg.

3. Jesus hilft sehen, wie Gott sieht

Er öffnet die Augen des Herzens. Üblicherweise gibt sich Gott in Bildern zu erkennen, denn die außergewöhnlichen Ereignisse sind nicht die Regel. Um aber Gottes Gegenwart im Alltag zu erkennen, braucht es geöffnete Augen des Herzens. In manchen Bildern erkennt man mehr, in manchen weniger. Es gibt aber auch Bilder, liebe Schwestern und Brüder, durch die man mehr als nur das Augenscheinliche sehen kann!

Unter Bildern lässt sich sehr Verschiedenes fassen: Bilder der Bildenden Kunst, die gemalt oder ge- formt worden sind; es können Bilder der Sprache sein, Erzählungen, oder Verhaltensweisen, Rituale und Umgangsformen. In einem christlichen Krankenhaus beispielsweise wird vom Management und von der Personalführung erwartet, dass nicht nur fromme Bilder an der Wand hängen. Vielmehr sollten die Umgangsformen den sogenannten christlichen Werten nicht nur nicht widersprechen, sondern sie erkennbar zum Ausdruck bringen. Hier werden Umgangsformen zu Sehhilfen, durch die der Auferstandene erkannt werden kann – oder nicht erkannt werden kann. Und schließlich ist auch unser Gottesdienst ein solches Bild.

Diese Bilder zeigen den, den wir suchen. Sie bilden ihn aber nicht nur ab wie ein Foto. Von Fotos behaupten wir heutzutage, dass sie das Abgebildete realistisch zeigen würden, zugleich aber mit dem Abgebildeten nicht identisch sind. Mit dem Gottesdienst, mit der christlichen Kunst, mit entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen oder mit Bibeltexten ist das anders. Sie scheinen ja als Bilder nicht eins zu eins Gott abzubilden. Aber sie können durch das Augenscheinliche hindurch Gott zeigen, wie er ist. Sie präsentieren uns seine Identität, was kein Foto je könnte.

Hier im Gottesdienst, heute Morgen, ist Jesus der Auferstandene real gegenwärtig in seinem Wort und in seinem Mahl. Unsere Formen, mit denen wir feiern, bleiben Bilder, aber Gottes Gegenwart ist darin längst nicht nur ein Als-Ob. Sie ist kein Abglanz, sondern ganz da. Identisch.

Wenn Sie heute den Zionsberg wieder verlassen, die 33 Höhenmeter wieder nach unten steigen oder das Radio abschalten, dann wünsche ich Ihnen geöffnete Augen des Herzens, um im Alltag, im Kreuz oder in Bibeltexten Gott zu erkennen, und ihn durch entsprechende Umgangsformen selbst sichtbar zu machen. Augen des Herzens sehen einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft.

Fragen

Anmerkung exhortatio: Fragen, Psalm der Woche und weitere Impulse sind durch exhortatio hinzugefügt.

  1. Wo hast du eine besondere Gotteserfahrung erlebt?
  2. Stehst du in der Gefahr deine eigenen Vorstellungen von Gott verwirklichen zu wollen, anstatt deine Vorstellungen von ihm korrigieren zu lassen?
  3. Wie erlebst du in deinem Leben den Zusammenhang von herrlicher Gotteserfahrung und Kreuz?
  4. Wie lernst du durch Jesus zu sehen, wie Gott ist?

Psalm der Woche

Ps 84

Weitere Impulse für die Woche

  1. Ehe & Familie. Ehen und Familien sind in unserer Zeit besonderen Versuchungen ausgesetzt. Gesellschaftlich wird viel in Frage gestellt. Wie hat man als Mann zu sein und welche Rolle soll man einnehmen? Aber auch ganz persönlich ist die Versuchung stark sich in Arbeit und den eigenen Befindlichkeiten zu verlieren, anstatt für die eigene Ehe und Familie zu sorgen und ihr geistlich vorzustehen. Deshalb findet ihr hier eine Anleitung dazu, wie man als Haupt im Sinne Jesu seinen Platz in seiner Familie einnimmt sowie praktische Tipps. Redet auch als Bruderschaft darüber. Auch wenn ihr keine Beziehung oder Ehe habt, könnt ihr trotzdem für eure zukünftige Ehe dabei lernen und auch als ledige Brüder eure verheirateten Brüdern in ihrer Berufung stärken.
  2. Verstrickt in Sünde? Hast du das Gefühl, du bist von Sünden überladen und weißt nicht, wie du rauskommst. Dein geistliches Leben liegt lahm und kein Ausweg in Sicht. Dann lies hier weiter. 
  3. Gemeinschaft mit Gott. Lebe diese Woche bewusst in der Gegenwart Gottes. Falls du nicht weißt, wie du beten sollst, dann bete das Jesusgebet, wo du beten kannst: „Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner“. Viel zu oft leben wir unseren Alltag und denken, dass Jesus mit solchen Banalitäten nichts zu tun hat. Aber Jesus ist jetzt, hier und heute gerade bei dir. „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“, spricht Jesus. Hier erhältst du weitere Information zum stillen Gebet, zum Jesusgebet und zum Bekreuzigen.