Sprüche: Nach Weisheit suchen

Das Buch „Die Sprüche“ leitet seinen Titel (sowohl im Hebräischen wie auch im Deutschen) vom ersten Wort des Textes ab: מִשְׁלֵי Sprüche (Salomos).

Die Struktur des Buches lässt sich relativ einfach aus den Zwischen- überschriften ableiten. Es besteht aus sieben Spruch-Sammlungen1:

Sammlung 1: Sprüche Salomos I (Sprüche 1,1-9,18) Sammlung 2: Sprüche Salomos II (Sprüche 10,1-22,16) Sammlung 3: Die 30 Worte der Weisen (Sprüche 22,17-24,22) Sammlung 4: Noch mehr Sprüche der Weisen (Sprüche 24,23-34) Sammlung 5: Sprüche Salomos III (Sprüche 25,1-29,27) Sammlung 6: Die Worte Agurs (Sprüche 30,1-33) Sammlung 7: Die Worte Lemuels (Sprüche 31,1-31)

Im Buch selbst werden drei Autoren benannt: Salomo, Agur und Lemuel. Über die redaktionelle Entstehung des Buches können wir nur Vermutungen anstellen.

Das Buch „Die Sprüche“ dreht sich um Weisheit. Es beantwortet die Frage: Wie soll ich mich in konkreten Lebenssituationen, die eine Entscheidung von mir fordern, verhalten? In einer Zeit, die nicht mehr an Weisheit glaubt, ist dieses Buch eine Provokation. Kann es sein, dass man tatsächlich den Schlüssel zum Leben und zu richtigen Lebensentscheidungen in einem uralten Buch findet? Kann mir die Weisheit Salomos helfen, im 21. Jahrhundert Fehler zu vermeiden und ein erfülltes Leben zu führen? Ist Weisheit wirklich wertvoller als alle Schätze dieser Welt (Sprüche 3,14)? Die Bibel bejaht diese Fragen und gibt mit „Die Sprüche“ Eltern, Erziehern und Weisen ein einmaliges Kompendium von Weisheit an die Hand, dessen Inhalt sie ihren Kindern und Schülern vermitteln können. Gott wünscht sich weise Menschen, die in ihrer Jugend (oder später) Weisheit er- lernt haben.

Bei archäologischen Ausgrabungen wurde eine Menge außerbibli- scher Weisheitsliteratur gefunden. Das verwundert nicht, wenn man allein das intellektuelle Klima zur Zeit Salomos betrachtet. So kommen Menschen an seinen Königshof, um seine Weisheit zu hö- ren (1Könige 5,14) und Rätselfragen zu stellen (1Könige 10,1). Es gab einen regen Austausch von Gedanken und eine aktuelle Besten- liste der Weisen (1Könige 5,9-13)4. Aber Salomo ist nur das Ende einer langen Kette: Die Spur der Weisheitsliteratur lässt sich heute durch die Ausgrabungen am königlichen Palast von Ebla bis etwa 2450 v.Chr. zurückverfolgen.

Das Buch „Die Sprüche“ steht in der Bibel als ein Ausdruck der Wert- schätzung von Weisheit in der Kultur Israels nicht allein da. In Jere- mia 18,18 wird ein „Rat der Weisen“ erwähnt. Es gab also am Kö- nigshof eine Gruppe von Beratern, die für ihre Weisheit bekannt wa- ren. Die Spur dieser Weisen lässt sich bis in die Zeit vor Salomo zu- rückverfolgen (1Chronik 27,32.33). An anderer Stelle lesen wir von einer Frau aus Tekoa (2Samuel 14,2), die für ihre Klugheit geschätzt wurde. Mit Abel war sogar eine ganze Stadt für ihre vielen Ratgeber berühmt (2Samuel 20,18). In 1Samuel 24,14 zitiert David eine Spruchweisheit und Simsons Rätsel (Richter 14,14), Jotams Fabel (Richter 9,8-15) oder Nathans Gleichnis (2Samuel 12,1-4) gehören ebenfalls in die Kategorie der „Spruchweisheiten“ (vgl. Sprüche 1,6). Hiob preist den Wert der Weisheit in den höchsten Tönen: „ein Beu- tel voller Weisheit ist mehr wert als ein Beutel voller Perlen“ (Hiob 28,18). Mose wurde in „aller Weisheit der Ägypter“ (Apostelge- schichte 7,22) unterwiesen und es ist nicht ungewöhnlich, dass in der Bibel auch auf die Weisheit anderer alter Völker hingewiesen wird6. Obwohl das Alte Testament die magischen Rituale und den Aberglauben dieser Völker geißelt und den mit großer Klugheit oft verbundenen Stolz ablehnt, begegnet es der ausländischen Einsicht selbst mit Respekt. Ein Mensch kann also, auch ohne göttliche Son- deroffenbarung, vernünftig denken und weise reden. Das beste Bei- spiel dafür ist vielleicht Ahitofel, dessen Ratschläge so hoch ge- schätzt wurden „als wenn man das Wort Gottes befragte“ (2Samuel 16,23). Zurecht hat David vor ihm Angst! Noch als Verräter gibt Ahitofel „guten Rat“ (2Samuel 17,14)!

Weisheit als Thema zieht sich wie ein roter Faden nicht nur durch das Alte Testament. Mit Jesus kam einer „größer als Salomo“ (Lukas 11,31). Seine Gleichnisse und Sprüche sind in ihrer Prägnanz, Wahr- heit und Tiefe unübertroffen. Wie viele Menschen bewundern heute noch die Bergpredigt (ohne sie zu verstehen)? Jesus ist Gott im Fleisch, göttliche Weisheit in menschlichem Gewand. Ihn kennen, ihn zu imitieren und von ihm zu lernen, das ist die Quintessenz praktischer Weisheit. In Christus sind „alle Schätze der Weisheit verborgen“ (Kolosser 2,3), und weil wir „in Christus“7 sind, sollen und dürfen wir sie heben. Wir brauchen Weisheit8 für alle Belange des Lebens, für unseren Umgang mit anderen Christen (Kolosser 3,16) und für das Leben mit entkirchlichten Arbeitskollegen und Freunden (Kolosser 4,5). Wir dürfen und sollen sogar um Weisheit bitten (Jakobus 1,5), weil das Leben kompliziert ist.

Achtung: Das Studium der Sprüche Salomos kann eine Beziehung zu Jesus nicht ersetzen. Ein „vernünftiges“ Leben ohne eine Beziehung zu Gott geht an der Berufung des Menschen vorbei und ist letztend- lich sinnlos. Gottes Weisheit beginnt ja überhaupt erst damit, dass wir ihn fürchten, uns vor ihm beugen, Buße tun und Jesus zum König unseres Lebens machen. Wo dieser erste Schritt fehlt, wird Schlau- heit gesucht, aber nicht göttliche Weisheit. Aber wo Umkehr statt- gefunden hat, da dürfen wir als Kinder Gottes unseren Vater im Himmel um Weisheit bitten und Jesus wird unser Ausbilder, der sagt: „Kommt her zu mir […] und lernt von mir“ (Matthäus 11,28.29). Gott wünscht sich für uns ein weises Leben. Er hat „Ge- danken des Friedens […] um euch Zukunft und Hoffnung zu gewäh- ren“ (Jeremia 29,11).

In diesem Sinn hoffe ich, dass mein Beitrag zum Buch „Die Sprüche“ zum Segen wird. Es sind die hoffentlich wahren Gedanken eines Mannes und Vaters, der sein Leben an der Bibel ausgerichtet hat, jeden Tag neu lernt, was es heißt, in einer sehr lebendigen Beziehung zum Herrn Jesus zu leben, und bei aller eigenen Mangelhaftigkeit erfasst hat, wie wahr Sprüche 16,20a ist: „Wer auf das Wort achtet, wird Glück erlangen.“

Anmerkung exhortatio: Die Textabschnitte für diesen Leseplan sind für die Passionszeit hier zusammengestellt, damit man bis in die Osterwoche die Sprüche einmal komplett durchgelesen hat. Als Andacht und weiterführende Auslegung kann hierzu die Auslegung von Jürgen Fischer gelesen, von wir hier schon die Einleitung zu den Sprüchen wiedergegeben haben. Ihr findet den Kommentar auf dieser Seite – dort könnt ihr euch das gesamte Dokumente als PDF herunterladen und ausdrucken. Hier beginnt es mit Kap. 1.

Der Kommentar ist sehr umfangreich und eignet sich daher nicht dazu, dass in seiner Stillen Zeit zu jedem Textabschnitt alles durchzulesen. Stattdessen wird folgende Vorgehensweise empfohlen: Lest zuerst selbst den biblischen Textabschnitt und denkt darüber nach. Später könnt ihr schließlich zu 1-2 Versen, die euch besonders angesprochen haben, die Auslegung lesen. Zu einer anderen Zeit könnt ihr euch natürlich weiterhin intensiver mit den Sprüchen und dem Kommentar beschäftigen.