Der verborgene Gott

Text des Tages: Hi 9                          Fortlaufende Bibellese: Hi 9

Wir hören wieder eine Antwort Hiobs auf das Reden einer seiner Freunde, diesmal die erste Rede des Freundes Bildads. Er schließt sich dem einfachen Urteil seines Vorredners Elifas an: “Wenn es dir schlecht geht, musst du gesündigt haben!” Hiob entgegnet ihm, dass er sich keiner Sünde bewusst sei (V. 21). Damit meint er wohl nicht, dass er niemals im Leben gesündigt hat. Aber er weiß um keine kontinuierliche Sünde, in der er bewusst gegen Gottes Willen lebt. Hiob scheint auch ein rechtes Verständnis dafür zu haben, für Sünden, die von Gott geforderten Opfer zu bringen. So opfert er sogar für seine eigenen Kinder (Hiob 1).

Hiob fühlt sich ungehört von Gott. Und er kann seinen Plan nicht verstehen. Hiob macht Gott sogar den Vorwurf, dass er doch so erhaben sei, dass er es nicht nötig habe selbst auf einen gerechten Menschen zu hören (V. 15+16). Hiob äußert die Sorge, dass es doch im Letzten gar nichts nützt, wenn man Gott in Gerechtigkeit dient. So heißt es beim Propheten Maleachi:

Ihr sagt: »Es ist umsonst, dass man Gott dient; und was nützt es, dass wir sein Gebot halten und in Trauer einhergehen vor dem HERRN Zebaoth? Und nun preisen wir die Verächter; denn die Gottlosen gedeihen, und die Gott versuchen, bleiben bewahrt.« (Maleachi 3,14f)

Ist Gott wirklich so? Vielleicht erlebst du selbst oder bei jemand anderem gerade eine große Not. Besonders wenn diese Not nicht weichen will, wachsen Fragen in uns: Darin kann Unverständnis, Misstrauen und Anklage sein, die sich gegen Gott richtet. Hiob hat sich nicht gescheut auszusprechen, welche Anklage er gegen Gott hat. – Wenn du gerade Leid erlebst, musst du es nicht erklären können. Es ist okay, wenn in dir Wut und Anklage ist. Du darfst traurig und voller Schmerz über dein Leid sein. Entscheidend ist, wie Hiob, deine Not Gott zu klagen. Er wird dir zu hören.

Und doch bleibt Gott manchmal unverständlich: Auch, wenn Hiobs Worte alles andere als demütig klingen. Er reibt sich an diesem Gott. Er weiß, dass er keine Chance hat, nicht den Hauch. Denn, der in seiner gewaltigen Allmacht verborgene Gott geht dröhnend über ihn hinweg. Aber da ist etwas in Hiob, was ihn dennoch reden lässt; ja, was ihn sogar mit Gott rechten lässt. Er scheint eine Ahnung zu haben, die ihn an Gott festhalten lässt. Es ist seine Sehnsucht, für die er noch keinen Namen habt.

Hiob hält an Gott fest: Hiob weiß (noch) nichts von Jesus. Aber er ist bereits wie ein leeres, offenes, vor Sehnsucht schreiendes Gefäß nach ihm: Einem Gott, der mit sich verhandeln lässt. Dem Gott, der mit ihm leidet. Der Gott, der eine Gott, der sich für mich unter das schreckliche, namenlose Schicksal wirft, der selber unter die Räder des dröhnend verborgenen Allmächtigen gerät. Wie elend und hoffnungslos wären wir in diese Welt geworfen – ohne Halt, ohne Grund –; wenn wir Jesus nicht hätten, in dessen Angesicht sich die Fratze des unfassbar fernen, gleichgültigen, verborgenen Gottes so wundersam in das Antlitz unseres liebenden Vaters verwandelt. Dort, dort allein können wir ihn sehen – wie er ist.

Gebet: Oh Herr, wie oft verstehe ich dich nicht, ja, wie oft verzweifle ich an dir. Du bist Gott. Ich bin nur ein Mensch. Was soll ich sagen, Herr, vor dir? Aber dass du mir dein Herz geöffnet hast, im Schmerz aufgerissen – in Jesus und mir zeigst, wer du für mich bist: mein Vater. Dafür bete ich dich an. Amen.