exhortatio
1. Gott erscheint in der Nacht.
Text des Tages: Hi 42,1-6 Fortlaufende Bibellese: Hi 41
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. (Stilles Gebet)
Liebe Schwestern und Brüder,
frohe Weihnachten wünsche ich Ihnen, der ich heute hier zu Gast sein darf und ich danke Ihrem lieben Pfarrer, Dir, Tobias, für die Einladung.
„Frohe Weihnachten“, liebe Schwestern und Brüder, das bezieht sich nicht nur auf einen Tag oder gar bloß einen Abend. „Frohe Weihnachten!, frohe geweihte Nächte werden Ihnen gewünscht.
Heute, zwischen dem Heiligen Abend und dem herrlichen Epiphaniasmorgen, geht Weihnachten weiter. Weihnachten geht weiter, wenn die Jahre zu Ende gehen. Weihnachten geht auch dann weiter, wenn das Leben zu Ende geht und es nicht mehr muschebubu schummert, sondern dunkel wird im Herzen. Gottes Sohn hat unsere Nächte geweiht und geheiligt und ist Mensch geworden.
„Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, / kann unsre Nacht nicht traurig sein! / Der immer schon uns nahe war, / stellt sich als Mensch den Menschen dar.“
Und wenn die Nächte dennoch traurig wären und selbst wenn ihrer viele sein sollten: „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, / kann unsre Nacht nicht endlos sein sein!“, dichtete Dieter Trautwein (EG 56).
Heute gibt es einen Bibeltext für die Predigt, der aus tiefsten und scheinbar endlosen Nächten kommt. Er steht im letzten Kapitel des Hiobbuches. Ich vermute, dass er zum allerersten Mal von dieser Kanzel zu Gehör kommt, denn er ist neu in der Leseordnung unserer Gottesdienste. Ich habe Ihnen den Text ausgedruckt mitgebracht, weil ich es hilfreich finde, diese Worte vor Augen zu haben und etwas genauer anschauen zu können. Ich lese aus dem Buch Hiob im 42. Kapitel:
Hiob antwortete dem HERRN und sprach: Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer. [Du sagtest zu mir:] ,Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Worten ohne Verstand?“ (Hiob 38,2).
Darum hab ich ohne Einsicht geredet, was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. ,So höre nun,lass mich reden; ich will dich fragen, lehre mich!“ [, sagtest du zu mir] (Hiob 38,3).
Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche.
Der Herr segne an uns dieses sein Wort.
Was soll denn Hiob mit Weihnachten zu tun haben? Haben wir in diesen Tagen nicht völlig andere Geschichten und Figuren vor Augen, liebe Schwestern und Brüder?
• Das Kind in der Krippe natürlich, „in reinlichen Windeln“ „auf Heu und auf Stroh“
• „Maria und Joseph betrachten es froh,
• die redlichen Hirten knien betend davor,
• hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor“ (EG 43,3).
• Über allem blinkt ein Stern am Himmelszelt.
In eine solche Idylle passt Hiob nicht. Er erzählt vom nackten Leben. Die wohlig warme Weihnachtswelt würde wahrscheinlich zusammenbrechen, wenn dieser Mann, schwerkrank, mit aufgerissener Haut unter den Krippenfiguren stünde.
Aber, liebe Schwestern und Brüder, möglicherweise gibt es doch den einen oder anderen Gedanken, den uns Hiob in den Weihnachten beisteuern könnte.
Ich will seine Geschichte nur kurz zusammenfassen: Hiob erlebte Schlimmes, obwohl er fromm war, verlor alles, obwohl er nichts dafür konnte, kam bis an den Rand des Todes, obwohl er sich zuvor bester Gesundheit erfreut hatte.
Naturkatastrophen vernichteten ihm seinen Landbesitz und seine überaus großen Viehherden. Eines Tages, als seine Kinder ein frohes Fest feierten, brachte ein Wüstensturm deren Haus zum Einsturz. Es begrub alle unter seinen Trümmern. Wie im Nu wurde Hiob alles genommen. Ein trauernder Vater blieb zurück, der versuchte, sich Gottes Willen zu ergeben.
Dann wurde Hiob selbst auch noch schwer krank. Seine Frau fand ihn nun gar nicht mehr sexy und verspottete ihn.
Drei alte Freunde kamen zum Krankenbesuch vorbei. Oder sollte ich sagen: drei altkluge Freunde? Sie erklärten ihm, dass sie verstehen, warum was wie passiert ist – und dass Hiob daran schuld sein müsse: Er sei doch ein Sünder. Umkehren müsse er, beten, Buße tun und neu anfangen. Als wäre sein Leid nicht genug, musste Hiob sich auch noch frommen Quatsch anhören.
Hiob versucht, sich wenigstens in seinem Glauben nicht irre machen zu lassen. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (19,25), sprach er. Sie erinnern sich, liebe Schwestern und Brüder, an diesen wohl bekanntesten Satz der Hioberzählung. Vor einem Jahr musste ich ihn über die Todesanzeige eines jung gestorbenen Freundes schreiben. Das alles scheint kein weihnachtliches Thema zu sein. Aber manche Leute erhalten Hiobsbotschaften zu Weihnachten und dann brechen Welten zusammen.
Am Schluss reden Hiob und Gott miteinander. Hiob ruft zu Gott: „Ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht; ich stehe da, aber du achtest nicht auf mich“ (30,20). ,Ich habe deine Gebote an keiner Stelle übertreten.“
• „Ich hatte einen Bund gemacht mit meinen Augen, dass ich nicht lüstern blickte auf eine Jungfrau. […]
• Hab ich missachtet das Recht meines Knechts oder meiner Magd, wenn sie eine Sache wider mich hatten? […]
• Hab ich den Bedürftigen ihr Begehren versagt und die Augen der Witwe verschmachten lassen?“ (31,1.13.16) und so weiter.
• Mit anderen Worten: ,Was tust du? Ich verstehe es nicht! Mir geschieht, wie du, Gott, den Bösen tust, wenn du sie bestrafst. Aber ich habe nichts Böses getan!“Und dann antwortet ihm Gott. „Wer ist’s, der den [göttlichen] Ratschluss verdunkelt mit Worten ohne Verstand? Gürte deine Lenden wie ein Mann! Ich will dich fragen, lehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir’s, wenn du so klug bist!“ (38,2–4) „Wer da meint, alles besser zu wissen, sollte der mit dem Allmächtigen rechten? Wer Gott zurechtweist, der antworte!“ (40,2)